In Kooperation mit dem Zukunftsinstitut

Empathische Führung: Leadership im Zeitalter der Emotionen

 

Kronberg i.Ts., 2020

Eine neue Kultur der Kreativität und Innovationsfreude entsteht, wo Leadership empathisch wird und  Führungskräfte ein Gespür und offenes Ohr für die emotionale Verfassung ihrer Mitarbeiter entwickeln. Aus  Aufgabenverteilern werden emotional intelligente Beziehungsgestalter.

 

Die emotionslose Wirtschaft

Emotionen sind meistens schwer zu verstehen – aber sie sind ständig anwesend. Trotzdem werden sie gerade in der Arbeitswelt immer noch unterdrückt und tabuisiert. Ungelöste emotionale Konflikte führen nicht nur zu Demotivation, sondern können im schlimmsten Fall auch Depressionen und Burnout hervorrufen. So zählte die AOK im Jahr 2017 circa 166.000 Menschen mit insgesamt 3,7 Millionen Fehltagen aufgrund einer Burnout-Diagnose. Damit hat sich die Zahl der Erkrankungen in den letzten zehn Jahren beinahe verdreifacht. Auch die Zahl der Fehltage aufgrund von psychischen Problemen hat sich rapide erhöht: Waren es 2005 noch 13,9 Krankheitstage pro 1.000 Personen, registrierte die AOK 2017 bereits über 116 Arbeitsunfähigkeitstage (Meyer 2018).

 

Erkenntnisse wie diese dringen nun auch in die Wirtschaft vor und stoßen allmählich einen Wertewandel an: Emotionen werden immer weniger als Störfaktor für Organisationen betrachtet, sondern als integraler Bestandteil eines Unternehmens. Denn mittlerweile ist bekannt: Effiziente und vor allem kreative Denkarbeit ist ohne Fühlen nicht vorstellbar. René Descartes würde heute sagen: „Ich fühle, also denke ich.“ Emotional Leadership, empathische Führung und Resilienz sind so zu diskursfähigen Themen in der Wirtschaft geworden. Und mehr noch: In der Corona-Krise wird eine empathische Führung gar zur Notwendigkeit, um den Kontakt zu den im Home Office verstreuten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu verlieren und sie trotz der Krisenerfahrung für eine gemeinsame Zukunftsvision begeistern und motivieren zu können.

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Faktor Führungskultur

Die Bertelsmann Stiftung und die Goethe Universität Frankfurt konnten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Burnout-Syndromen der Mitarbeiter und der Resilienz ihrer Führungskräfte feststellen: Ein authentisches und sinnvermittelndes Führungsverhalten, das auch die emotionale Ebene in der Kommunikation berücksichtigt, hat einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit und die Gesundheit der Mitarbeiter (Mourlane et al. 2013).

 

Aber: Wie viele Gefühle braucht ein Unternehmen? Und: Welche Kompetenzen brauchen Leader von heute? Nicht jeder CEO muss gleich zum Therapeuten werden. Allerdings werden neben kognitiven Fähigkeiten und Fachwissen weitere Skills wie Einfühlungsvermögen, Motivationskraft und Menschenkenntnis immer wichtiger, damit eine effektive Kommunikation und ein empathischer Umgang mit komplexen Situationen am Arbeitsplatz gelingen kann. Dabei sind in Zeiten von Corona auch digitale Kompetenzen gefragt, denn wo eine persönliche soziale Interaktion nicht möglich ist, müssen neue digitale Formate gefunden, die Nähe zu vermitteln vermögen.

 

Laut dem Gallup Engagement Index klaffen hier allerdings Wunsch und Wirklichkeit bisher noch weit auseinander: In einer für Deutschland repräsentativen Befragung sagte gerade einmal jeder fünfte Arbeitnehmer (22 Prozent), dass die erlebte Führung bei der Arbeit motiviert, hervorragende Arbeit zu leisten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beklagen dabei, dass Führungskräfte ihre emotionalen Bedürfnisse übersähen (Gallup 2018).

 

Empathische Beziehungsgestalter

Ein erfolgreiches Unternehmen mit zufriedenen Mitarbeitern lebt also von einer emotional intelligenten Leitung, die weg von einem autoritären hin zu einem „dienenden“, serviceorientierten Führungsstil geht. Empathische Leader sind nicht mehr Herr und Verteiler der Aufgaben, sondern sie schaffen Möglichkeitsräume und rücken das Wissen ihres Teams stärker in den Fokus. Sie sehen sich selbst als Beziehungsgestalter, die durch aktives Zuhören jedes Teammitglied bestmöglich fördern und einen Raum für Emotionen und Co-Kreativität schaffen. Emotionale Intelligenz beschreibt hierbei die Fähigkeit, Emotionen angemessen wahrzunehmen, in Denkprozessen einzusetzen, zu verstehen und zu regulieren. Dabei sind soziale Kompetenzen nicht nur im Umgang mit anderen, sondern auch in Bezug auf sich selbst wichtig: Gute Selbstwahrnehmung und laufende Selbstreflexion sind Grundlage für die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen.

 

Das Wichtigste für empathische Leader ist, zu wissen, wann sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber dominierend sein können, wann sie kooperieren und wann sie einfach nur ein offenes Ohr für etwaige Probleme bieten sollten. Führungskräfte sind also je nach Situation in der Rolle des Visionärs, des Coaches oder des Enablers – und für diese Situationen gilt es ein Gespür zu entwickeln.

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Kreativität braucht Sicherheit

Ein offenes Gesprächsklima ist stets die Grundlage für funktionierende Beziehungen. Gleichzeitig müssen Führungskräfte die eigene Wahrnehmung schärfen für die Signale, die ihre Mitarbeiter ihnen geben. So zum Beispiel, wenn diese in Situationen kommen, in denen Druck von oben nach unten weitergegeben wird oder wenn sie sich gerade privat in einer schwierigen Situation befinden. Aber wie kann man erkennen, ob ein Mitarbeiter Hilfe braucht? Wenn Menschen fahriger werden, viele Fehler machen und sich Fehlzeiten häufen, kann dies ein Indiz dafür sein. Lässt sich so etwas wahrnehmen, kann mit einem vertrauensvollen Gespräch Unterstützung angeboten werden. Auch hier geht es zunächst vor allem um das Zuhören – um dann gemeinsam zu ermitteln, was die nächsten Schritte für eine Besserung sein könnten.

 

Der Mehraufwand lohnt sich. Wer die Bedürfnisse seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor kurzfristige Effizienzsteigerungen und Gewinne stellt, wird langfristig von deren Zufriedenheit profitieren: weniger Krankheitstage durch psychische Belastungen, geringere Fluktuation und höhere Attraktivität für Top-Talente. Durch das Erlaubtsein von Emotionen und Gefühlen am Arbeitsplatz fühlen sich Menschen wohl und es entsteht eine psychologische Sicherheit, die kreatives Denken und Ideenreichtum erst ermöglicht – etwas, das gerade in den nächsten Monaten mehr denn je gefragt ist und für Unternehmen überlebenswichtig werden kann, um auch nach der Corona-Krise zukunftsfähig aufgestellt zu sein (mehr dazu in: Zukunftsinstitut 2020).

 

Literatur

Gallup (2018): Engagement Index 2018. Berlin

Meyer, Markus (2018): Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2017. In: Badura, Bernhard/Ducki, Antje/Schröder, Helmut/Klose, Joachim/Meyer, Markus (Hg.): Fehlzeiten-Report 2018. Sinn erleben – Arbeit und Gesundheit. Heidelberg, S. 331–536.

Mourlane, Dennis / Hollmann, Detlef / Trumpold, Kai (2013): Führung, Gesundheit & Resilienz. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh & mourlane management consultants, Frankfurt am Main

Zukunftsinstitut (Hg.) (2018): Franz Kühmayers Leadership Report 2019. Frankfurt am Main

Zukunftsinstitut (Hg.) (2018): Siegeszug der Emotionen. Erfolgreich in die intensivste Wirtschaft aller Zeiten. Frankfurt am Main

Zukunftsinstitut (Hg.) (2020): Die Wirtschaft nach Corona. Wochen der Weichenstellung. In: zukunftsinstitut.de, 16.4.2020